„Worauf wir Deutsche stolz sein können?“ – 9d im Rastatter Schloss

Als der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann im Jahre 1974 als eine seiner letzten Amtshandlungen im Rastatter Schloss die „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen der deutschen Geschichte“ eröffnete, sagte er in seiner bemerkenswerten Rede u.a. Folgendes: „Der Bundespräsident ist nicht der Geschichtslehrer der Nation. Mir geht es darum, bestimmte Bewegungen in unserer Geschichte, die unsere heutige Demokratie vorbereitet haben, aus der Verdrängung hervorzuholen und mit unserer Gegenwart zu verknüpfen. Um es positiv auszudrücken, Mir liegt daran, bewusstzumachen, dass unsere heutige Verfassung durchaus eigenständige Wurzeln hat und nicht nur eine Auflage der Sieger von 1945 ist, andere Nationen tun sich da leichter. Wir haben Umbrüche und Zusammenbrüche in solcher Häufigkeit erlebt, dass es manchem von uns am Ende ratsam erschien, aus der Geschichte überhaupt auszusteigen und nur noch nach dem Tage zu leben. Wir haben zumal nach dem letzten großen Zusammenbruch im Jahre 1945 so lange in einem Zustand bewusst gepflegter Vorläufigkeit verharrt und aus mancherlei guten Gründen verharren müssen, dass geschichtliche Besinnung nur schwer durchgreifen konnte.“

Für Heinemann als Bundespräsident war es ein Problem, dass wir in Deutschland als Deutsche, wenn wir über unsere Geschichte reden und nachdenken, uns häufig immer nur über unsere negative Geschichte, d.h. über unsere Rolle in den beiden Weltkriegen und über die Verbrechen das nationalsozialistischen Herrschaft, definieren. Manche denken schon gar nicht mehr über unsere Vergangenheit nach, aber was ist dann „deutsch“? Deswegen versuchen nicht nur Rechtsextreme häufig, diesen Teil unserer Geschichte zu negieren und anzuzweifeln.

Heinemann wollte ein positives deutsches (geschichtliches) Ereignis wieder ins Gedächtnis rufen, nämlich die Revolution von 1848. Auch wenn sie gescheitert ist, weil die Fürsten und der preußische Obrigkeitsstaat mit seiner Armee die Revolution zum Scheitern brachten, so verdanken wir als Deutsche sehr viel Sinnstiftendes dieser Zeit: unsere Nationalhymne, unsere deutschen demokratischen Farben Schwarz-Rot-Gold, die erste gesamtdeutsche demokratische Verfassung mit schriftlichen fixierten Grund- und Menschenrechten, den ersten demokratisch gewählten Bundestag usw.

Der deutsche Staat, der bei einer erfolgreichen Revolution im Jahr 1848 entstanden wäre, wäre sicherlich nicht der Staat gewesen, der Deutschland in zwei Weltkriege geführt hätte.

Um sich dieser Revolution zu „erinnern“ (deswegen auch der etwas seltsam wirkende Name des Museums) und sich auch unserer Geschichte als Deutsche bewusst zu machen, besuchte die Klasse 9d mit ihrem Geschichtslehrer (der nicht der Bundespräsident ist) im Rahmen eines erweiterten Geschichtsunterrichts das Rastatter Schloss. Rastatt deshalb, weil dort die letzten Revolutionäre von der preußischen Armee, die auch durch Durmersheim zog, besiegt wurden. In Partnerarbeit wurden mit selbst entwickeltem Arbeitsmaterial und mit viel selbständiger Arbeit und Spaß die Ursachen, der Ablauf und auch das Scheitern dieser für uns so wichtigen Revolution erarbeitet.

Im weiteren Unterricht werden nun die Bezüge zu heute und zur deutschen Demokratiegeschichte vertieft. Hierbei stellt sich natürlich auch die Frage, was nun genau „deutsch“ ist und ausmacht. Das ist eine ganz wichtige Frage, gerade auch für junge Menschen, die zwar in Deutschland aufwachsen, dies allerdings in Zeiten einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft, allerdings auch in Zeiten, die von (für deutsche Verhältnisse) überraschend hohen Wahlergebnissen für rechte und rechtsextreme Parteien in manchen Teilen Deutschland und leider auch in Baden-Württemberg geprägt sind.


 

Text: Sascha Waibel

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